Verleihung des LUX Filmpreises 2015

CR 94.4-Mitarbeiterin Johanna Wachter war vor Ort und schildert ihre Eindrücke aus dem EU-Parlament.Vor zwei Wochen durfte ich als freie Radiomacherin professionelle Journalisten-Luft schnappen, als ich vom Österreichischen Büro des EU-Parlaments nach Straßburg zur Verleihung des LUX Film Prize eingeladen wurde. Wie erwartet war der gesamte Prozess vor aber auch während des Aufenthalts sehr bürokratisch. Von mehreren Seiten werden Einladungsschreiben, Bestätigungen und ähnliches benötigt. Zusätzlich kam es erst zehn Tage zuvor in Paris zu den Terror-Attacken, und dadurch zur Unsicherheit, ob jene Veranstaltung überhaupt stattfinden würde. Nach überraschend normalen Sicherheitskontrollen am Eingang, gelangt man aber recht schnell in jenes mächtige Gebäude, welches sich zunächst so gar nicht in die Umgebung einfügt. Die jährliche Verleihung des LUX Filmpreises durch das Europäische Parlament möchte seit 2007 eine gemeinsame Öffentlichkeit und europaweiten Diskurs ermöglichen. Ein bisheriges Problem, welches sich unter anderem auch wegen der Sprachenvielfalt innerhalb der EU ergibt. Dabei soll die Sprachenvielfalt nicht etwa übergangen werden, und alles in einer Sprache kommuniziert werden. Denn die drei Finalisten-Filme (dieses Jahr „Mediterranea“, „Urok [The Lesson]“ und „Mustang“), werden in allen 24 EU-Sprachen untertitelt, bei freiem Eintritt in jedem Mitgliedsland gezeigt und somit theoretisch für jeden zugänglich gemacht.
Um zum Plenarsaal zu kommen, muss man zunächst die Tücken der Innenarchitektur überwinden, die an „Harry Potter“ und die sich bewegenden Treppen in Hogwarts erinnern. Endlich gefunden, treten wir auf die Journalistentribüne und blicken hinab auf die 751 Sitze. Gespannt warten wir auf den Parlamentspräsidenten Martin Schulz, der die drei Filme kurz vorstellt, nicht ohne am Ende eine politisch starke Position einzunehmen und mit plötzlich energischer Stimme gegen die „Zerstörer der Vielfalt“ wettert. Die Filme selbst zeigen auch dieses Jahr qualitativ hochwertiges Kino aus Europa. Sowohl „Mediterranea“, welcher die Flucht zweier Menschen von Burkina Faso nach Italien zeigt, als auch „Mustang“, ein Film über fünf junge von Gesellschaft und Onkel unterdrückten Schwestern in der Türkei, sprechen dabei aktuelle gesellschaftspolitische Themen an und brillieren dabei filmisch.
Martin Schulz verkündet bald den Sieger – besser die Siegerin – des diesjährigen LUX Preises:
Es ist Deniz Gamze Ergüven, die türkisch-französische Regisseurin von „Mustang“. Zu Recht, wie meine KollegInnen und ich vom „28 Times Cinema“-Programm meinen. Wir durften diese Filme bereits Mitte September beim Venice Filmfestival sehen und mit den Regisseuren über ihre Projekte sprechen. „Mustang“ hat uns damals wie heute, mit seiner respektvollen Art dieses Thema anzusprechen, tief berührt. Dass alle Parlamentsabgeordnete theoretisch die Möglichkeit und Pflicht hätten, als Jury zu dienen – sprich alle Finalfilme anzusehen und abzustimmen – dürfte sich entweder noch nicht rumgesprochen haben oder mit dem hohen Zeitaufwand negiert worden sein. Denn man vermutet, dass nur etwa 200 Stimmen abgegeben wurden.
Man könnte zunächst argumentieren, dass Kunst in Zeiten, mit politischen Baustellen der Kategorie „Flüchtlings- und Wirtschaftskrise“ nicht an erster Stelle steht. Doris Pack, Initiatorin des LUX-Programmes, bezieht sich hierzu jedoch gerne auf Wim Wenders (deutscher Regisseur bekannt für Filme wie „Buena Vista Social Club“ oder „Der Himmel über Berlin“). Wenders hätte sie damals dazu gedrängt, die europäischen Filmschaffenden zu fördern – und zwar nicht nur die Produktion, sondern v. a. deren Distribution und Verbreitung. Denn man könne die Europäische Idee, welche die EU verfolgt, nur durch eine entsprechende Präsentation der einzelnen Gesellschaften mit den Bewohnern und Nachbarn teilen. Dazu wäre der europäische Film wohl das beste Werkzeug!
Mit dem Preis wird dem Siegerfilm „Mustang“ einerseits eine Synchronisierung für Blinde und Sehbehinderte Menschen sowie eine Vertriebsförderung ermöglicht. Wann und wo der Film in Österreich und hoffentlich auch in St. Pölten zu sehen sein wird, ist leider noch abzuwarten. Ich wünsche Deniz Gamze Ergüven alles Gute für die Verbreitung ihres großartigen Filmdebüts „Mustang“!
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